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Channel: Lichtspiele – Ola's Welt
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The rediscovery of sound

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Seit ein paar Wochen schon versuche ich über eine ziemlich große Veränderung in meinem Leben zu schreiben und musste es immer wieder aufschieben, weil ich einfach keinen Weg finden konnte, es irgendwie zu visualisieren und in einem Bild darzustellen, das die Worte begleiten kann. Die am Ende gefundene Lösung ist letztendlich nur ein Kompromiss, so etwas wie eine sehr vage, abstrakte Vorstellung von dem, was ich versuche, irgendwie begreiflich zu machen. Denn wie zeigt man etwas, dass man nicht sehen kann, weder im Sein noch im Nichtsein, und das vermutlich nur diejenigen verstehen, die selbst schon ähnliche Erfahrungen gemacht haben? Da ich hier glücklicherweise nicht nur auf Bilder angewiesen bin, lasse ich einfach mal ein paar Wörter fließen und nehme ich euch mit auf eine kleine Reise, von der Vergangenheit in die Zukunft.

Wasser fließt über roten Steinuntergrund

Ich kann gar nicht mehr so genau sagen, wann es angefangen hat, vermutlich weil es nicht von heute auf morgen geschah, sondern ganz langsam passierte. Zuerst verlor ich nur ein paar Töne, zum Beispiel das Klingeln meines Telefons, doch weil es zu einer Zeit geschah, in der ohnehin alles viel zu laut in meinem Kopf war und ich mich nach der Stille sehnte, dachte ich mir nicht viel dabei. Als ich ein paar Jahre später mit fachmännischer Hilfe gegen meine Dämonen kämpfe und versuchte, die Dunkelheit zu begreifen, bemerkte ich jedoch immer öfter, dass ich nun auch  ganze Wörter und Sätze verlor. Ich konnte ihre Gegenwart im Raum zwar wahrnehmen, sie aber trotz mehrfacher Wiederholung einfach nicht mehr entschlüsseln. Manchmal dauert es auch nur eine Weile und mir fiel doch noch ein, was tatsächlich gesagt wurde, manchmal aber auch nicht. Obwohl ich es damals mehr oder weniger als vorübergehendes Aufmerksamkeitsproblem betrachtet habe, bin ich sicherheitshalber trotzdem mal zu einem Ohrenarzt gegangen, wo eine beidseitige Schallempfindungsstörung festgestellt wurde. So etwas ist weder medikamentös noch operativ zu behandeln und permanent. Ich war damals 25, mitten in der Promotion, schon einige Zeit lang Single und hatte wirklich keine Lust, von nun an mit zwei Hörgeräten herumzulaufen. Also habe ich es auf später verschoben.

In den letzten 8 Jahren ist mein Leben deutlich stiller geworden, ich sehe meine Familie und meine Freunde sehr viel seltener, die meisten Gespräche finden ohnehin nur noch per Telefon statt, meistens über Lautsprecher, und da ich beruflich hauptsächlich auf Englisch mit Menschen aus aller Welt kommuniziere, ist es wirklich schwer zu erkennen, wann und ob sich die Lage verschlechtert. In den letzten Monaten wurden die Anzeichen jedoch immer deutlicher, ich verlor deutlich häufiger Wörter und auch ganze Gespräche, manche Menschen sprachen für mich so gut wie immer totales Kauderwelsch. Da in meinem Fall der Hörverlust im Bereich hoher Frequenzen am stärksten ist, sind vor allem hohe Töne bzw. Stimmen betroffen, aber eben auch Zischlaute, so dass Frauen und nuschelnde oder flüsternde Menschen ganz besonders schlechte Karten hatten. In manchen Fällen schaffe ich es, aus den gehörten Wortfetzen einen logischen Inhalt zu extrapolieren, allerdings klappt das nicht, wenn ich keine Ahnung habe, worüber gesprochen wird. Und weil ich oftmals auch beim wiederholten Sagen nichts verstehen konnte, habe ich irgendwann aufgehört, überhaupt noch einmal nachzufragen und tue halt nur so, als hätte ich es verstanden. Mit der Zeit wurde das jedoch immer anstrengender, ermüdend und auch sehr frustrierend, so dass ich vor ein paar Wochen beschlossen habe, dass es 11 Jahre nach der ersten Diagnose endlich mal Zeit wird, etwas zu ändern und die Welt der Töne zurück zu erobern.

Nach einem neuen Hörtest hatte ich nicht nur die traurige Bestätigung, dass ich im Laufe der Jahre nahezu im kompletten Frequenzbereich noch weitere 20-30 Dezibel verloren, sondern auch eine neue Verordnung  für zwei Hörgeräte mit der ich dann auch gleich zu einem Hörgeräteakustiker gegangen bin. In den vergangenen 6 Wochen habe ich nun schon fleissig verschiedene Geräte Probe getragen und so richtig deutlich gemerkt, wie viel ich eigentlich schon verloren hatte. Es wird zwar eine Weile dauern, bis sich das Gehirn an die sprachlichen Elemente erinnert, aber allein schon die Tatsache, dass ich mit diesen kleinen Hilfsmitteln das Zwitschern der Vögel und das Klingeln meines Handys wieder hören kann, ist schon ziemlich irre. Neulich habe ich zum ersten Mal meine Waschmaschine piepen gehört und das sogar vom Wohnzimmer aus, vorher habe ich es nicht einmal bemerkt, wenn ich direkt davor stand. Diese Woche muss ich vorerst wieder ohne Hilfe hören, da ich mich inzwischen für ein Modell entschieden habe und nun die Otoplastiken, also quasi die im Ohr sitzenden Teile, nach Maß angefertigt werden. Und plötzlich bin ich wieder zurück in einer Mischung aus Pseudostille, Rätselraten und BlaBlaland, aber glücklicherweise mit der Gewissheit, dass dieser Zustand schon sehr bald wieder vorüber sein wird und ich die Welt endlich wieder verstehen werden kann.

Der Beitrag The rediscovery of sound erschien zuerst auf Ola's Welt.


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